Endotoxin-Dashboard für Luftqualität in Geflügelställen entwickelt

13. Januar 2022

Innerhalb des deutsch-niederländischen INTERREG-Projekts BEL AIR, in dem Lösungen für saubere und gesunde Luft bei Geflügelmastbetrieben entwickelt werden, wurden von den elf Projektpartnern zahlreiche Probenahmen und Luft-Messungen durchgeführt sowie Luftreinigungstechnologien getestet. Parallel wurde vom Projektpartner Whysor B.V. eine Daten-Cloud aufgesetzt, in die alle im Projekt gemessenen Daten fließen, sodass sie besser analysiert und verglichen werden können. Visualisiert werden die Ergebnisse der Messungen und Beprobungen in einem von Whysor entwickelten BEL AIR-Dashboard, wodurch für jeden Versuchsstall direkt per Computer, Tablet oder Smartphone ablesbar ist, welches Klima und welche Luftbelastung aktuell im Stall herrscht und wie diese sich entwickelt.

Dazu wurden verschiedene Sensoren in mehreren Testställen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet installiert, vernetzt und an das Internet angeschlossen. Alle Sensoren funktionierten trotz der im Vergleich mit anderen Tierarten recht hohen Feinstaubkonzentrationen in Geflügelmastbetrieben ihre Arbeit dabei ohne Probleme. Gemessen wurden Werte wie Feinstaub, Temperatur, Ammoniak, CO2, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit – das Letztere war für die Interpretation des Feinstaubsensors notwendig, da dieser in einem speziellen Windkanal betrieben wurde. „Wie bei anderen Tierarten müssen die Sensoren außerhalb der Reichweite der Tiere aufgehängt werden. Bei den Masthähnchen war das mehrere Meter oberhalb der Tiere. Auch durfte – bis auf die Feinstaubmessung – nicht im direkten Luftstrom der ein- und ausgehenden Luft gemessen werden.“, so Projektmanagerin Imke Hermens von Whysor.

Abbildung des Dashboards mit Auswertung der Sensoren in einem Masthähnchenstall im westfälischen Dülmen, Quelle: Whysor

Durch das Dashboard bekommen Landwirte einen ganz neuen Blick auf ihren Stall

Gestalten sich die gemessenen Werte als überdurchschnittlich hoch, wird den Benutzer*innen dies direkt über eine rote Ampel auf dem Dashboard angezeigt. Auswirkungen der Aktivitäten des normalen Tagesablaufs im Stall können somit live auf dem Dashboard verfolgt und – wenn notwendig – entsprechende Maßnahmen ergriffen werden: „Auf Geflügelbetrieben sind dabei neben jenen eines gesamten Mastzyklusses deutliche Tages-Muster zu erkennen“, so Angela van der Sanden, Expertin innovative Stallsysteme und Dataanalyse beim BEL AIR-Partner DLV Advies. „Dies gibt Einsicht in die Effekte bestimmter Aktivitäten innerhalb des Stall – etwa das Ausmisten oder Anpassung an der Lüftungsanlage – auf das Stallklima sowie die Feinstaub- und Endotoxinbelastung“, so van der Sanden weiter. Probleme können durch einen Blick auf die grafisch und praktisch aufbereiteten Daten somit schnell verortet und angegangen werden.

Die hinter Dashboard und Cloud liegende Architektur, die von Whysor programmiert und mit anderen Partnern wie etwa DLV Advies erdacht wurde, nennt sich „Kluger Stall“ und ist neben BEL AIR auch in anderen Projekten wie etwa Food Pro·tec·ts (hier speziell für Schweineställe) weiterentwickelt worden. Das Besondere im BEL AIR-Projekt war die Einbindung von Endotoxinmessungen in das Dashboard. Die Beprobung und Analyse von Endotoxinproben zur Messung der Endotoxinbelastung in den Ställen, die per Stichprobe durchgeführt wird, kann im Vergleich zu den anderen Werten nicht live erfolgen und erscheint daher nur mit einiger Verzögerung im Dashboard. Dieser ursprünglich analoge Prozess, der auf dem Papierweg erfolgte, wurde in BEL AIR nun digitalisiert. Whysor hat dazu zwei Apps entwickelt – eine zur Kalibrierung der Sensoren und eine für die Probenahme, wo Messwerte und Randbedingungen während des Messzeitpunktes erfasst werden können. Die Werte werden anschließend ebenfalls in die BEL AIR-Cloud übermittelt und helfen zudem dabei, eine mögliche Verknüpfung der Endotoxinwerte mit den Messwerten der anderen Sensoren zu erkennen.

Regelerstellung und Einbindung in bestehende Stallcomputer

In den verbleibenden Projektmonaten bis Ende März 2022 sollen innerhalb von BEL AIR auf Basis der gewonnenen Daten und Messwerte nun Regeln entwickelt werden, sodass bei bestimmten Mustern automatisiert Benachrichtigungen erstellt werden, die den Geflügelhalter informieren und ihn gegebenenfalls auffordern, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Dazu sollen die bisherigen Messergebnisse zunächst weiter interpretiert und miteinander in Beziehung gebracht werden. Eine weitere Herausforderung, die außerhalb von BEL AIR angegangen wird, ist die Integration des Dashboards in bestehende Stallcomputersysteme. In der Regel handelt es sich dabei um geschlossene Systeme ohne offene Schnittstellen für externe Systeme. In einem Folgeprojekt ist Whysor in Zusammenarbeit mit DLV Advies bereits damit beschäftigt, Module zu entwickeln, die eine Integration des Stall-Dashboards in verschiedene bestehende Systeme ermöglichen soll.

Das BEL AIR -Projekt

Innerhalb des BEL AIR-Projekts werden seit Ende 2018 von deutschen und niederländischen Partnern verschiedene Technologien zur Reduktion von Endotoxinemissionen in und außerhalb von Geflügelställen (weiter-)entwickelt und getestet. Endotoxine (Lipopolysaccharide) entstehen beim Zerfall Gram-negativer Bakterien und werden auch im Magen-Darm-Trakt von Tieren freigesetzt und mit dem Kot ausgeschieden. Sie heften sich an Staubpartikel und können bei Menschen wie Tieren unter anderem für Atemwegserkrankungen und Einschränkungen der Lungenfunktion mitverantwortlich sein. Das Projekt zielt darauf ab, Endotoxine und Feinstaub weiter zu reduzieren, mit dem Ziel, zu einem gesünderen Lebensumfeld für Menschen und Tiere in den Ställen sowie die Anwohner beizutragen. Weitere Informationen unter www.belair-project.eu.

BEL AIR wird im Rahmen des INTERREG V A-Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und des niederländischen Ministerie van Economische Zaken en Klimaat, des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen und der Provinzen Gelderland, Limburg und Nordbrabant mitfinanziert. Es wird begleitet durch das Programmmanagement bei der Euregio Rhein-Waal.

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